Ausgangslage
In der systemischen Familientherapie werden Probleme und/oder Krisen nicht nur einer Person in der Familie zugeordnet, sondern sie werden als ein Ausdruck der bestehenden Beziehungs- und Kommunikationsbedingungen im gesamten familiären System gesehen.
Bestimmte ausgebildete Symptome einzelner oder mehrerer Familienangehöriger können ein Hinweis auf eine (im starken Maße) ungenügende Bedürfniserfüllung sein, aus der sich ein Veränderungsbedarf ergibt, der sowohl die Einzelperson als auch die anderen Familienmitglieder betreffen kann.
Die systemische Familientherapie ist eine Therapieform, die Auffälligkeiten, unnormales Verhalten, Krankheiten, Krisen etc. innerhalb der Familie als in Zusammenhang stehend mit den Beziehungen und Lebenskonzepten der Familienangehörigen sieht. Ein Einfluss auch von anderen, die Familie umgebenden Systemen, wie z.B. Arbeit/ Beruf und Wohnsituation, findet zusätzlich Beachtung.
Ziele
In der Familientherapie sollen alle Familienmitglieder in ihrer eigenverantwortlichen Lebensführung unterstützt werden. Dazu werden vorhandene Ressourcen aktiviert und gefördert und die Wahrnehmungs- und Handlungsmuster der einzelnen Familienangehörigen erweitert, so dass innerhalb der Familie eine Veränderung der Situation wunschgemäß bewirkt werden kann. Funktionierende Beziehungen zwischen allen Familienangehörigen sollen entwickelt bzw. gestaltet werden, die Erziehungsfähigkeit der Eltern innerhalb der Familie soll gesichert oder wieder aufgebaut werden.
Dabei sehen sich die Therapeut:innen nicht als Expert:innen, die Lösungen vorgeben oder Diagnosen stellen. Vielmehr besteht das Verständnis, die Familie bzw. einzelne Familienangehörige zu begleiten und zu unterstützen, um belastende Familiendynamiken aufzulösen; andere, neue, für die Familie passende, Handlungs- und Verhaltensperspektiven zu entwickeln und befriedigende Muster des Zusammenlebens zu integrieren.
Rahmen und Ablauf
Die systemische Familientherapie ist eine ambulante Leistung im Rahmen des § 27 Abs. 3 SGB VIII. Die Beauftragung erfolgt im Rahmen der Hilfeplanung durch die Mitarbeiter:innen der Jugendämter. Die Kosten werden in diesem Fall vom Jugendamt übernommen.
Nach dem Hilfe-Installationsgespräch im Jugendamt erarbeiten die Therapeut:innen mit den einzelnen Familienmitgliedern in verschiedenen Settings gemeinsam die Ziele und Aufträge (ggfs. Richtungsziele, insbesondere aber Handlungsziele und Handlungsschritte), die nach ca. 6 Wochen erneut den MitarbeiterInnen des Jugendamts zurückgemeldet werden. Nach ca. 6 Monaten erfolgt dann ein erstes Hilfeplangespräch zur Auswertung des Zwischenstandes des Therapieverlaufs.
In der Regel findet ein Termin pro Woche oder alle 14 Tage statt. In Absprache mit den Familienmitgliedern können die Intervalle zwischen den Terminen bedarfsabhängig verändert werden.
Die Dauer des Therapieverlaufs variiert von Familie zu Familie und liegt in der Regel zwischen 9 und 18 Monaten. Eine fortlaufende Auswertung und bei Bedarf auch Anpassung des Therapieprozesses sowie ein regelmäßiger Austausch mit weiteren wichtigen Personen im Kontext des Familiensystems (z.B. Schule, Pflegekinderdienst, Ärzt:innen u.a.) sind für unsere Arbeit wichtig.
Die Familientherapie wird in der Regel im Co-Team durch systemisch ausgebildete Berater:innen und/oder Paar- und Familientherapeut:innen durchgeführt. Dabei werden Methoden der Systemischen Familientherapie angewandt. Je nach Bedarfslage und fachlicher Einschätzung sind auch Termine im Einzelsetting mit nur einem/r Therapeut:in möglich.
Darüber hinaus gibt es Situationen, in denen es sinnvoll ist, parallel zur Arbeit mit den Eltern mit Hilfe von u.a. kunsttherapeutischen und/oder körpertherapeutischen Methoden einzelne Kinder und Jugendliche zu unterstützen. Diese nonverbalen Methoden bieten insbesondere Kindern und Jugendlichen, die noch wenig Möglichkeit haben, Gefühle in Worte zu fassen, Wege zur Verarbeitung und Bewältigung von verunsichernden Erlebnissen und Traumata. Kunsttherapie und Körpertherapie schaffen Raum, belastende (traumatische) Ereignisse zu verarbeiten und fördern die Selbstheilungskräfte insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.
Aufsuchende Familientherapie
In Abhängigkeit von den formulierten Aufträgen und Zielen kann die Familientherapie auch aufsuchend erfolgen. Bei der sogenannten Aufsuchenden Familientherapie (AFT) handelt es sich um eine besonders niedrigschwellige Form der „Hilfe zur Erziehung“.
Durch die (zum Teil) aufsuchend erfolgende Arbeit werden der Alltag und das unmittelbare Lebensumfeld der Familien in die therapeutische Arbeit mit eingebunden. Hierbei finden nach individueller Festlegung sowohl Gespräche mit den Familienangehörigen im häuslichen bzw. im unmittelbaren Umfeld (zu Hause oder auch z.B. in der Schule usw.) als auch in der Beratungsstelle statt. Durch diesen Wechsel des Settings besteht die Chance, einerseits niedrigschwellig alle Familienangehörigen einzubeziehen und „vor Ort“ zu erleben als auch andererseits professionelle Distanz für die Familienangehörigen durch den Abstand in der Beratungsstelle zu schaffen.